Du bist zeitlebens für das verantwortlich,
was du dir vertraut gemacht hast.
– »Der kleine Prinz«, Antoine de Saint-Exupéry (1943)
Stell dir vor, du bist ein Fuchs. Stell dir vor, du lebst in einer Höhle, die du mit deinen eigenen vier Pfoten gegraben hast, einer Höhle tief in der Erde, zwischen den Wurzeln eines dreihundert Jahre alten Apfelbaums vielleicht, und dass du jeden Tag sieben Mäuse fängst, an guten Tagen vielleicht auch mehr. Stell dir vor, dass du ein glücklicher Fuchs bist – im Frühjahr den Bienen nachblickst, die von Blüte zu Blüte fliegen, die Nase in den Wind hältst, dir Geschichten zuflüstern lässt, die von fetten Hasen irgendwo dort draußen, irgendwo auf dem Feld erzählen, im Sommer den Schatten genießt, den dir der Apfelbaum spendet, zusiehst, wie im Herbst die Blätter fallen, und im Winter schließlich zufrieden in deiner Höhle liegst, die weit unter dem Schnee noch immer warm und gemütlich ist. Stell dir vor, frei zu sein – und dann eines Tages nicht mehr.
Stell dir vor, eines Tages einen Jungen zu erblicken – einen blonden Jungen von gerade einmal acht Jahren –, und dass du beschließt, alles aufzugeben, was bisher nur dir alleine gehört hat – den Wind, die Hasen und die Bienen –, dass du nichts lieber tun möchtest, als zu diesem Jungen zu gehören, deine Freiheit gegen Vertrautheit einzutauschen, und ihn zähmen zu lassen, was noch wild an dir ist. Stell dir vor, dass von diesem Tag an nichts mehr schön, nichts mehr gut ist, wenn er nicht da, nicht für dich da ist, und dass selbst die Sonne nur noch aufzugehen scheint, damit du in seinem Schatten laufen kannst. Stell dir vor, wie glücklich du wärst – und nun stell dir vor, gar kein Fuchs, vielmehr ein Hund zu sein. Ein junger Hund von vier Wochen, vielleicht.
Die Entscheidung, die der Fuchs im Kleinen Prinzen aus freien Stücken trifft – nämlich, sich zähmen zu lassen –, haben wir für unsere Hunde selbst getroffen, und im besten Fall haben wir dabei verantwortlich entschieden – haben verstanden, dass, während der Hund für uns oft nur ein Hund ist, wir für ihn die ganze Welt bedeuten, sein Glück in unseren Händen liegt. Vielleicht ist deshalb auch die Entscheidung, welchem Menschen man welchen Welpen anvertraut, die schwerste, die man als Züchter zu treffen hat – Verantwortung gelingt nicht im Vorübergehen, will mehr, als nur Gewinne einzustreichen, muss zuhören, was der Welpe braucht und welches Zuhause ihm das geben kann. Welcher Mensch kann für ihn Wind, Hasen und Bienen sein, welcher Mensch lässt Apfelbäume für ihn wachsen?
Für unsere vier Welpen steht genau diese Entscheidung nun an.
© Johannes Willwacher