Bevor Jule und Edda in der kommenden Woche unser Welpenzimmer beziehen werden, haben beide einen letzten Besuch bei Jules Familie in Unna hinter sich gebracht. Ein Besuch, der unfreiwillig komisch ausgefallen ist – vor allem, weil von den beiden Männern im Haus keiner vom vierbeinigen Nachwuchs weiß.
Opa Karl schaut kaum von seiner Lektüre auf, als Jule das Wohnzimmer betritt. Das dünne Papier knistert beim Umblättern, sonst ist es still. Freitagabend, denkt Jule. Schließlich räuspert der Großvater sich, faltet die Zeitung in der Mitte zusammen und beugt sich vor, so dass sich im Schein der großen Bogenlampe, die den Leseplatz am gegenüberliegenden Ende des Wohnzimmers erhellt, ein Strahlenkranz um seinen Kopf bildet. Sein Gesicht bleibt im Schatten. Jule meint ein Lächeln zu erkennen, erwidert dieses also und stellt die schwere Reisetasche, die sie in den Händen gehalten hat, vor sich ab. Als sie wieder aufschaut, ist das Lächeln am anderen Ende des Wohnzimmers verschwunden und an dessen Stelle ein neuer Ausdruck gerückt – beinahe dunkler noch als der Schatten. Dass jener vorwurfsvolle Blick indes nicht ihr gilt, erkennt Jule erst, als sie Edda erblickt, die sich lautlos an ihr vorbeigeschoben hat, und kaum eine Armlänge von ihr entfernt zum Stehen gekommen ist.
»Um Himmels Willen«, poltert Opa Karl los und lässt die gefaltete Zeitung auf den Boden fallen, »was hast du denn bloß mit dem Hund gemacht, der ist ja viel zu fett!« Schnaubend winkt er Edda heran, die sich – aufgrund der ungewohnten Lautstärke zwar mit angelegten Ohren, aber doch freudig wedelnd – langsam auf ihn zu bewegt.
»Ich hab gar nichts gemacht«, lügt Jule.
»Ach was«, wischt der Großvater ihre Bemerkung beiseite, »die platzt ja beinahe aus allen Nähten«, um dann in einem deutlich versöhnlicheren Ton hinzuzufügen, »eine richtig kleine Dickmadame ist die geworden, deine Edda«. Letztere lässt sich davon nicht beeindrucken – denkt, dick zu sein ist vielleicht ein Grund, aber längst kein Hindernis – setzt die Vorderpfoten auf die breiten Armlehnen des Sessels und sitzt, kaum einen Moment später, auf dem Schoß des alten Mannes. »Das Möppelchen ist jetzt ein richtiger Hund geworden«, flötet dieser, »früher war sie ja immer so wenig«.
Jule lacht. Nicht, weil ihr Großvater nicht weiß, dass Edda trächtig ist, vielmehr, weil sie kaum widerstehen kann, ihn endlich darüber aufzuklären – und weil man eben gerne lacht, wenn man nichts Besseres zu sagen weiß.
»Und jetzt schmiert der Opa uns mal ein Bütterken.«
In der sechsten Trächtigkeitswoche sind die Veränderungen der Hündin selbst für den Laien mit bloßem Auge zu erkennen: diese wirkt im Rücken deutlich breiter, die Taille verschwindet und der Bauch, den die Gebärmutter nun zu fast zwei Dritteln ausfüllt, rundet sich. Zudem beginnt das Fell entlang der Milchleisten dünner zu werden oder ganz auszufallen. Mit etwas Glück lassen sich unter der Bauchdecke auch schon die ersten Bewegungen der nun gut zehn Zentimeter großen Welpen ertasten.
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