Die 4. Träch­tig­keits­wo­che: Edda im Weih­nachts­ur­laub mit Joy

Edda wacht auf, weil sich hin­ter ihr etwas bewegt. Als sie nach­schau­en will und den Kopf dreht, sind es zuerst wei­zen­blon­de Locken, die sie erblickt, dann eine schwarz glän­zen­de Nase, die sich zuckend in das Fell an ihrem Ruten­an­satz gräbt. Wür­de der Schlaf ihr nicht noch immer in den Glie­dern sit­zen, hät­te sie wohl längst gegen die Zudring­lich­keit der ande­ren Hün­din auf­be­gehrt und die­ser unmiss­ver­ständ­lich zu ver­ste­hen gege­ben, war­um man schla­fen­de Hun­de nicht wecken soll – oder, ganz ohne Aus­schmü­ckung und ande­re Umschwei­fe, ein wenig geknurrt und dann zuge­schnappt. Weil es aber zumin­dest noch zwei Pfo­ten sind, mit denen sie im Traum­land einer fet­ten Tiger­kat­ze hin­ter­her­setzt, belässt sie es dabei die Augen zu ver­dre­hen und – indem sie den Kopf kurz anhebt – die Zäh­ne zu ble­cken. Dass sich der wei­zen­blon­de Ter­ri­er davon kaum beein­druckt zei­gen und die Nase gleich wie­der in ihrem Fell ver­sen­ken wür­de, hät­te sie sich den­ken kön­nen müs­sen, denn Ter­ri­er sind – so viel hat Edda in drei Jah­ren des Zusam­men­le­bens gelernt – durch kaum etwas wirk­lich zu beein­dru­cken. Als die frem­de Nase sich aber noch tie­fer wühlt, reißt ihr schließ­lich der Gedulds­fa­den und sie knurrt: »Kannst du mir mal ver­ra­ten, was du da machst?«
+++++Ohne auf­zu­schau­en schnüf­felt Joy wei­ter. »Du weißt doch wie das ist, Lie­bes«, klingt es dumpf zwi­schen Eddas Hin­ter­läu­fen her­vor, »wenn ich schwan­ger bin, dann bin ich immer so juckig«.
+++++Edda legt den Kopf schief. Dass die älte­re Hün­din dazu neigt, zwei­mal jähr­lich so zu tun, als sei sie guter Hoff­nung, ist ihr hin­läng­lich bekannt – denn wäh­rend es ihr an den meis­ten Tagen gelingt, das blon­de Gift geflis­sent­lich zu igno­rie­ren, ist Joy wäh­rend ihrer Träch­tig­kei­ten so all­ge­gen­wär­tig, das wirk­lich nie­mand sie über­se­hen, geschwei­ge denn über­hö­ren kann. »Wer schwan­ger ist, ist juckig und jault«, denkt Edda also. Was es aber wirk­lich bedeu­tet, schwan­ger zu sein, weiß sie nicht – und auch weil die erträum­te Tiger­kat­ze ver­mut­lich längst ent­kom­men ist, ent­schließt sie sich, dem kur­zer­hand auf den Grund zu gehen: »Wie ist das denn so, schwan­ger zu sein?«
+++++Mit gespitz­ten Ohren schreckt Joy zwi­schen den scho­ko­la­den­brau­nen Schen­keln auf. »Zuerst ein­mal«, sagt sie und schaut Edda durch­drin­gend an, »zuerst ein­mal ist dir immer schlecht und nichts, das man dir vor­setzt, ist gut genug«.
+++++»Wirk­lich gar nichts?«, will Edda neu­gie­rig wissen.
+++++»Nein, gar nichts«, ant­wor­tet Joy und trip­pelt lang­sam um Edda her­um, »selbst, wenn du eigent­lich Hun­ger hast, bekommst du kei­nen Bis­sen herunter«.
+++++»Ist das denn bei allen Hün­din­nen so?«, fragt Edda.
+++++»Viel­leicht nicht bei allen, aber doch bei den meis­ten«, sagt Joy und leckt sich die Pfo­ten, »die wenigs­ten hal­ten das aber wirk­lich lan­ge durch. Ich habe es ein­mal auf gan­ze fünf Tage gebracht und das Essen dabei nicht ein­mal angeschaut«.
+++++»Dann bin ich ja beru­higt«, sagt Edda, »ich könn­te näm­lich immer­zu essen«.
+++++»Wie­so soll­test du denn auch schwan­ger sein?«, lacht Joy.
+++++Edda grinst. Nicht jedes Geheim­nis muss geteilt werden.

Im Lauf der vier­ten Träch­tig­keits­wo­che lässt sich bei vie­len Hün­din­nen ein gla­si­ger, zäher Aus­fluss beob­ach­ten, der aus­schließ­lich dann auf­tritt, wenn die Embryo­nen sich erfolg­reich in der Gebär­mut­ter ein­nis­ten konn­ten, und der als sichers­tes Zei­chen einer erwar­te­ten Träch­tig­keit gilt. Auch ist oft­mals ein ers­tes Anschwel­len der Milch­drü­sen der Hün­din zu beob­ach­ten – die Zit­zen wer­den rosig und rich­ten sich sicht­bar auf. Zum Ende der Embryo­nal­pe­ri­ode sind die Früch­te etwa einen Zen­ti­me­ter groß. In den Grund­zü­gen ist bereits die end­gül­ti­ge Kör­per­form erkenn­bar, die lebens­wich­ti­gen Orga­ne sind ange­legt und das Herz hat begon­nen zu schla­gen. Da die Föten in die­sem Sta­di­um sehr anfäl­lig sind und eine Viel­zahl ange­bo­re­ner Defek­te hier ihren Ursprung fin­det, soll­te der Hün­din beson­ders viel Ruhe gegönnt werden.

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