Der letzte Tag beginnt. Und weil alles beginnt und alles endet, schreibe ich euch Sieben nicht Abschied, sondern Hoffnung auf die letzten Seiten …
Ich seh’ deinen Stolz und deine Wut,
dein großes Herz, dein Löwenmut.
Ich liebe deine Art zu gehen
und deine Art mich anzusehen.
Wie du deinen Kopf zur Seite legst,
immer siehst wie’s mir geht.
Du weißt, wo immer wir auch sind,
dass ich dein Zuhause bin.
– Sarah Connor, »Wie schön du bist« (2015)
Der letzte Tag beginnt mit dem Versuch mir vorzurechnen, wie viele Paar Gummihandschuhe es waren, die wir in neun Wochen verbraucht, wie viele Putzeimer wir gefüllt haben – um schließlich die Summe des Zeitungspapiers zu beziffern, das, kaum ausgelegt, zerrissen vom Boden aufgeklaubt worden ist. Auch an diesem Morgen finde ich hier und da feuchtes Papier, das ich mit den Fingernägeln aus den Fugen kratze, auch an diesem Morgen rauscht das Wasser in den grauen Putzeimer hinein, während ich mir die eng anliegenden Gummihandschuhe überstreife. Weil es aber der letzte Tag ist und ich weiß, dass am morgen darauf nur noch fünf Welpen versuchen werden, mich von meinen morgendlichen Pflichten abzuhalten, es am folgenden Tag nur noch drei sein werden, bin ich in Gedanken gar nicht da und läuft das Wasser schließlich über. »Ihr seid sieben«, denke ich und wische mir mit den behandschuhten Händen über das Gesicht, »noch seid ihr sieben«, nehme den randvollen Eimer aus dem Becken und gieße ihn ab. Mit der Schulter stoße ich die schwere Eisentür auf, die Waschküche und Welpenzimmer trennt, stelle den Eimer vor dem Gitter ab und steige selbst darüber. »Ihr seid sieben«, denke ich, als ich den Raum durchquere um das Radio einzuschalten, und immer noch, als ich mich umdrehe und eine Stimme zu singen beginnt. Der Löwenmut, von dem sie singt, verlässt mich schlagartig, und weil ich weiß, dass mich keiner der sieben Welpen verraten wird, halte ich auch die Tränen nicht länger zurück.
Der letzte Tag beginnt. Und mit ihm ein neues, ein größeres Leben. Mit jedem der Sieben spielt Nell ein letztes Mal – mit dem einen zärtlich, liebevoll, mit dem anderen wild, mit fliegenden Pfoten – und während Mutter und Welpen durch den Garten toben, scheint es fast so, dass auch dieser längst zu klein geworden ist, für das ganze, das große, das kommende Leben. Ein letztes Mal halte ich also jeden, dort, im Garten, so wie hunderte Male zuvor, atme ein, bis auch dieser Moment vorüber ist und der Welpe durch das Gartentor aus meiner Sicht verschwindet. Vielleicht weint man, denke ich, weil sich der Welpe, den man so oft gehalten hat, in etwas anderes verwandelt, sobald dieser Moment vorüber ist, und aus dem Welpen, dem man neun Wochen lang Augen, Herz und Hände geschenkt, dem man Mut gefüttert, das Selbstbewusstsein gestreichelt und beigebracht hat, dem Unbekannten mit Neugier zu begegnen, der Hund eines anderen wird. Vielleicht.
Der letzte Tag beginnt. Und weil alles beginnt und alles endet, schreibe ich euch Sieben nicht Abschied, sondern Hoffnung auf die letzten Seiten. Schreibt damit eure eigenen Geschichten – und macht eure Menschen so glücklich, wie ihr es mich gemacht habt. Weil Liebe das Einzige ist, das mehr wird, wenn man es teilt.
Und ich hab das alles so gewollt,
den ganzen Terror und das Gold,
ich habe nie was so gewollt …
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