Ich bin zu früh dran, als ich am Montagmorgen vor dem Ladengeschäft einparke. Durch die mit bunter Reklame beklebten Scheiben erkenne ich zwar, dass das Deckenlicht brennt und die schnurgeraden Gänge zwischen den Regalen erhellt sind, bleibe aber vor verschlossenen Türen stehen. Ein Aufkleber am unteren Rand der Eingangstür weist mich darauf hin, dass das Geschäft erst gegen neun Uhr öffnet und ich mich demnach noch eine Viertelstunde gedulden muss, also laufe ich zurück zum Auto, klopfe im Vorbeigehen an das beschlagene Glas der Heckklappe, hinter der mich drei Hunde neugierig beäugen, und steige wieder ein. Während die Hunde in meinem Rücken angestrengt hecheln und sich der Innenraum des Fahrzeugs bald mit allen Gerüchen füllt, die das spätherbstliche Feld zu bieten hat, frage ich mich, ob unter all diesen Gerüchen auch noch etwas ist, das an die Geburt unserer ersten beiden Welpen erinnert – an Arix und Edda, die auf dem Hin- und dem Rückweg zu unserem Tierarzt in eben diesem Auto geboren worden sind. Ich weiß nicht, wie oft ich diese Geschichte erzählt habe, und mitunter habe ich sogar selbst das Gefühl, sie gar nicht erlebt, sondern nur erzählt bekommen zu haben. Mit jedem Erzählen wird das, was wahr ist, mehr und mehr zur Erzählung – aber vielleicht ist das mit allen Erinnerungen so.
Vielleicht gilt das auch für die Menschen, die damals, vor drei Jahren, auf die Geburt ihres Welpen gewartet haben – vielleicht ist auch dort an die Stelle aufgeregter Erwartung ein anderes Gefühl gerückt, eines, das weder ganz im Hier und Jetzt, noch ganz im Gestern ist. Weder noch, weil es nie leicht fällt sich zu erinnern, wie das eigene Leben ausgesehen haben mag, ohne diesen Welpen – ohne einen Hund.
Drei Jahre, denke ich, als ich schließlich die Lichtschranke passiere und die Eingangstür vor mir sich automatisch aufschiebt. Während ich zwischen den meterhohen Regalen umher wandere und sich meine Arme nach und nach mit Leckereien füllen, die zuhause verpackt und mit Namensschildern versehen werden sollen, sehe ich in Gedanken sechs Welpen durch die Gänge tollen: Arix und Edda, Lou und Zion, Gonzo und Liv.
Alles Gute zum dritten Geburtstag, meine A’s! Die Ersten vergisst man nie.
© Johannes Willwacher