22|08|2015 – Aus dem Rahmen fallen: Zion
22|08|2015 – Aus dem Rah­men fal­len: Zion

Oder: Gedanken beim Spazierengehen

Gib mir jeman­den, den es nicht stört, dass mein Atem am Mor­gen nicht nach Min­ze riecht, mei­ne Lau­ne nicht gebü­gelt ist, und der selbst den fle­cki­gen Abdruck des Kis­sens in mei­nem Gesicht ger­ne mit Küs­sen bedeckt. Gib mir jeman­den, der Schät­ze unter mei­nem Kopf­kis­sen ver­steckt, mich schon nach fünf Minu­ten ver­misst und mich selbst dann wild und über­schwäng­lich begrüßt, wenn ich bloß zwei Minu­ten weg gewe­sen bin. Gib mir jeman­den, der es mir aus­treibt, schwarz zu tra­gen, mich nach­den­ken lässt, ob Hun­de­haa­re nicht zwin­gend zur Gar­de­ro­be gehö­ren, der Löcher in mei­ne Socken beißt und mir bei­bringt, bar­fuß zu laufen.

Gib mir jeman­den, der sich zu mir legt, wenn ich trau­rig bin, der mir bei­steht, wenn die Welt über mir zusam­men­bricht, der mit einem Schwanz­we­deln ein Ja aus jedem Nein, alles Schwe­re leicht und alles Dunk­le hell machen kann. Gib mir jeman­den, der stark ist, wenn ich es nicht bin. Der nur bel­len, mir einen zer­kau­ten Ball vor die Füße legen oder dem eige­nen Schwanz nach­ja­gen muss, um alle Dämo­nen auf­flie­gen zu las­sen. Gib mir jeman­den, der nicht danach fragt, wie reich oder beliebt ich bin, den es nicht inter­es­siert, ob ich die Rech­nun­gen bezah­len oder einen Mara­thon lau­fen kann – dem es aus­reicht, dass ich zwei Hän­de zum Strei­cheln habe, im Tausch für ein Herz, das nur mir gehört. Gib mir jeman­den, an dem ich wach­sen, Zuver­sicht ler­nen und Nach­sicht üben kann.

Gib mir jeman­den, der mir zeigt, dass es zwan­zig Arten von Regen, zwan­zig von Wind, aber kein schlech­tes Wet­ter gibt. Jeman­den, der mich höher sprin­gen, wei­ter lau­fen und tie­fer füh­len lässt. Mit dem ich allein auf einem grü­nen Hügel sit­zen, den zie­hen­den Wol­ken nach­schau­en und erah­nen kann, was Zufrie­den­heit ist. Gib mir so jeman­den. Gib mir einen Hund!

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