Oder: Gedanken beim Spazierengehen
Gib mir jemanden, den es nicht stört, dass mein Atem am Morgen nicht nach Minze riecht, meine Laune nicht gebügelt ist, und der selbst den fleckigen Abdruck des Kissens in meinem Gesicht gerne mit Küssen bedeckt. Gib mir jemanden, der Schätze unter meinem Kopfkissen versteckt, mich schon nach fünf Minuten vermisst und mich selbst dann wild und überschwänglich begrüßt, wenn ich bloß zwei Minuten weg gewesen bin. Gib mir jemanden, der es mir austreibt, schwarz zu tragen, mich nachdenken lässt, ob Hundehaare nicht zwingend zur Garderobe gehören, der Löcher in meine Socken beißt und mir beibringt, barfuß zu laufen.
Gib mir jemanden, der sich zu mir legt, wenn ich traurig bin, der mir beisteht, wenn die Welt über mir zusammenbricht, der mit einem Schwanzwedeln ein Ja aus jedem Nein, alles Schwere leicht und alles Dunkle hell machen kann. Gib mir jemanden, der stark ist, wenn ich es nicht bin. Der nur bellen, mir einen zerkauten Ball vor die Füße legen oder dem eigenen Schwanz nachjagen muss, um alle Dämonen auffliegen zu lassen. Gib mir jemanden, der nicht danach fragt, wie reich oder beliebt ich bin, den es nicht interessiert, ob ich die Rechnungen bezahlen oder einen Marathon laufen kann – dem es ausreicht, dass ich zwei Hände zum Streicheln habe, im Tausch für ein Herz, das nur mir gehört. Gib mir jemanden, an dem ich wachsen, Zuversicht lernen und Nachsicht üben kann.
Gib mir jemanden, der mir zeigt, dass es zwanzig Arten von Regen, zwanzig von Wind, aber kein schlechtes Wetter gibt. Jemanden, der mich höher springen, weiter laufen und tiefer fühlen lässt. Mit dem ich allein auf einem grünen Hügel sitzen, den ziehenden Wolken nachschauen und erahnen kann, was Zufriedenheit ist. Gib mir so jemanden. Gib mir einen Hund!
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