Ida hat den Kopf auf der Lehne der Rückbank abgelegt und ihren Blick aus dem Seitenfenster gerichtet, die Augen sind halb geöffnet. Allein ein zeitweiliges Zucken der Ohren verrät, das sie noch nicht eingeschlafen ist, viel mehr angespannt die Autos beobachtet, die mit 130 Stundenkilometern an uns vorbeiziehen. Wir selbst bewegen uns nur langsam vorwärts – wir haben Zeit. Das Gefühl, alle Zeit der Welt zu haben, ist gut und lässt sich weder durch den Kalendertag, noch durch den zweiten Satz aus Bachs dritter Orchestersuite in D-Dur beeindrucken, der gerade aus dem Radio dringt und auf mich immer wirkt, als würde er von einem Abschied, einem Ende erzählen. Ich schaue in den Rückspiegel. Ida ist eingeschlafen.
Kaum eine halbe Stunde dauert es, bis die Untersuchung zur Krebsnachsorge beendet ist und wir den Behandlungsraum mit der Gewissheit, dass sowohl Lunge als auch Lymphknoten frei von Metastasen sind, wieder verlassen können. Dr. Kessler schüttelt mir die Hand, streichelt Ida über den Kopf, dann heißt es: »Bis in drei Monaten«. Drei Monate mehr, denke ich, sind manchmal alle Zeit der Welt – und ein Freitag, der 13. vielleicht auch ein Glückstag. Für Ida.
© Johannes Willwacher