Ein silbergrauer Mercedes schiebt sich noch auf der linken Spur vorbei, dann geht nichts mehr und der Wagen kommt zum Stehen. Dort, wo die Autobahn eine Biegung macht, scheinen sich die Rückleuchten zu konzentrieren – der Stau selbst nicht, verkündet der Nachrichtensprecher mit sonorer Stimme und wird, noch bevor er die Kilometerangabe durchsagen kann, von einer Hand, die sich ruckartig zum Radio ausstreckt, unterbrochen.
»Die Nächste fahren wir runter«, sagt der Mann am Steuer, und wirft durch den Rückspiegel einen Blick auf den Hund, der mit einem kompliziert wirkenden Konstrukt aus Riemen und Schnallen auf der Rückbank angegurtet ist und lautstark hechelt, »das mit der Bremse ist so nicht in Ordnung, das lässt mir keine Ruh’«.
Seine Beifahrerin blickt blinzelnd von ihrem Mobiltelefon auf und lässt das am Vortag aufgenommene Bild vom Bootsanleger, das sie gerade betrachtet hat, auf Knopfdruck zu schnappen. »Du hast doch gesagt, du hast da nichts gesehen, als du vorhin ausgestiegen bist?«
»Auf mei-ner Sei-te war ja auch nichts«, antwortet er und betont dabei jede Silbe einzeln. Die Fahrzeuge vor ihnen setzen sich schleppend in Bewegung, der Regen rauscht gegen die Windschutzscheibe, die Rücklichter zerfließen. Er startet den Motor und es geht weiter.
Zehn Minuten, dann ist die nächste Ausfahrt erreicht. Als der Wagen in einem Industriegebiet, dessen bunt beschilderte Bebauung immer wieder von betonierten Parkflächen unterbrochen wird, an einer Ampel hält, wird das Fenster im Auto nebenan heruntergekurbelt und ein bebrilltes Gesicht schiebt sich hinaus, zwei Hände wedeln hektisch zwischen den Fahrzeugen hin und her.
»Ich glaube, er hat gesagt, es brennt«, sagt sie.
»Was hat der gesagt?«
»Es bre-ennt!«
»Das Auto?«
»Er selbst ganz sicher nicht.«
Die Ampel ist kaum von Orange auf Grün umgesprungen, als er den Wagen, von dem auf der Beifahrerseite nun gut sichtbar Rauch aufsteigt, über die Kreuzung steuert. Sie presst die Handtasche, deren Bügel sie mit beiden Händen umklammert, fest an ihre Brust, sieht den Motorblock in Gedanken bereits in Flammen aufgehen, sich selbst gefangen, irgendwo dahinter, und reißt, als der Wagen auf dem nächstgelegenen Parkplatz endlich zum Stehen kommt, die Beifahrertür auf und stürzt hinaus. Nach drei Schritten kehrt sie um, nach zweien fliegt die Handtasche im hohen Bogen, dann öffnet sie die Tür zum Fond des Fahrzeugs und lässt den Hund hinaus. Sie läuft, sie dreht sich nicht um. Hinter sich hört sie den Mann rufen, etwas von Hund und Handtasche und Hierarchie – und dass er nun endlich wisse, wo er dabei stehe. Schwer atmend bleibt sie stehen, der Hund tut es ihr gleich.
»Schätzelein«, sagt sie, »an der Handtasche häng’ ich nicht so. Die kommt auf jeden Fall hinter dir«.
Auch wenn »Buddy« (Broadmeadows Body and Soul) in dieser Geschichte auf den ersten Blick nur eine Nebenrolle zu spielen scheint, ist es doch so, dass er im Leben von Axel und Uta – die wir hier ein Stück weit auf der Heimfahrt vom Wolfgangssee begleiten (und die zum Glück auch wieder an einem Stück zu Hause angekommen sind) – zweifellos die Hauptrolle einnimmt. Die Frage, an welcher Stelle der Hund und an welcher der Ehepartner steht, stellt sich aber wohl in vielen Beziehungen. Mir selbst klingt dabei immer wieder die Stimme meines Vaters im Ohr. Wie ist das bei Ihnen so?
© Johannes Willwacher