Hundstage – so nennt der Volksmund die Zeit zwischen dem 23. Juli und dem 23. August. Über Seehunde und solche, die es im Sommer gerne wären …
Als du die Tür der Duschkabine aufstößt, sitzt er da, die Pfoten auf das blaue Handtuch gesetzt, und schaut dich an. Du kennst diesen leidenden Blick. Meist schaut er so, wenn der Napf, den du drei Mal am Tag mit frischem Wasser befüllst, leer ist und ihn der Durst plagt (manchmal schaut er aber auch so, weil eine dicke, tote Fliege obenauf treibt, um die sich beim besten Willen nicht herum trinken lässt). Der Napf aber – das weißt du genau – ist voll. Die spuckigen Reste hast du eben erst in den Ausguss gekippt, den Napf sauber ausgespült und zurück an seinen Platz gestellt. »Das kann es nicht sein«, denkst du also und zuckst die Achseln, dann scheuchst den Hund vom Handtuch herunter, um dich abzutrocknen. Als du – schließlich trocken – das Handtuch fallen lässt, schaut er dich von der Tür aus an. Sein Blick bohrt sich unverändert in dich hinein. »Natürlich hat er sich nicht verändert«, denkst du, »als ob sich ein Hund je davon beeindruckt gezeigt hätte, ob ein Mensch nass oder trocken ist. Das interessiert ihn genauso wenig, wie die Frage, ob man ein Handtuch benutzt, um sich abzutrocknen – oder eben nicht. Wenn es nach ihm ginge, dann könnte man es ihm genau so gut gleich tun, und statt des Handtuchs die Polstergarnitur im Wohnzimmer dazu nutzen«. Du schlüpfst in deine Hose, tätschelst dem Hund lächelnd den Kopf, dann drehst du dich zum Fenster um, langst nach dem Griff und drehst ihn halb herum. Ein Schwall schwül-warmer Luft strömt dir entgegen. Du stöhnst. »Ob ihm auch zu warm ist?«, fragst du dich. Hinter dir hörst du den Hund die Treppe hinab laufen.
Hundstage – so nennt der Volksmund die Zeit zwischen dem 23. Juli und dem 23. August. Nicht etwa, weil die Sommerhitze unseren Vierbeinern noch stärker zusetzen würde, als uns (das tut sie zweifelsohne) – namensgebend waren viel mehr römische Astronomen, die in dieser Zeit den Aufgang des Sternbilds Großer Hund beobachteten. Das Bild eines (des Vergleiches wegen) kleinen Hundes, der sich hechelnd im Schatten verkriecht, sich lang ausstreckt, um den Bauch zu kühlen, und lieber den Tag verschläft, als sich der Sonne auszusetzen, mag dennoch passen: Während der menschliche Körper mit Millionen von Schweißdrüsen gut gegen die Hitze gerüstet ist, müssen bei unseren Hunden wenige Schweißdrüsen am Nasenspiegel und den Pfotenballen zur Thermoregulierung genügen. Den Rest muss die heraushängende Zunge (über die bei hoher Atemfrequenz nicht nur das zirkulierende Blut gekühlt, sondern auch Wärme abgegeben wird) alleine richten. Folgerecht überhitzt ein Hund auch sehr viel schneller. Grund genug, die heißen Tage für ihn so angenehm wie möglich zu gestalten. Am Badesee, vielleicht.
Mit einem klatschenden Geräusch schneidet er durch spiegelnde Oberfläche des Sees, taucht ein, bis nur noch der Kopf zu sehen ist, dann siehst du ihn gleichmäßig mit den Pfoten rudern, dem Ball entgegen, der in einem der beiden Sonnenuntergänge treibt. Am Ufer tauchst du selbst deine Hand ins Wasser, das so viel kühler ist, als die Abendluft. Als du aufschaust, steht der Hund längst wieder vor dir, den Ball in der Schnauze, das Fell triefend nass. »War’s schön?«, fragst du. Er läuft auf dich zu und schüttelt sich: Hunde haben ihre ganz eigene Art, Danke zu sagen.
© Johannes Willwacher