Vor gut zwei Wochen …

»Vier Wochen noch, dann wird’s ernst«, mei­ne ich und ahne schon, wel­che Reak­ti­on mich dar­auf erwar­tet. Am ande­ren Ende der Lei­tung höre ich ange­streng­tes Atmen, sehe bei­na­he, wie sich die Augen plötz­lich wei­ten und die Mund­win­kel ner­vös span­nen. Dann bricht ein Lachen hervor.
+++++»Aber«, sagt die Stim­me am ande­ren Ende der Lei­tung, »aber was muss ich denn über­haupt kön­nen? Sowas hab’ ich ja noch nie gemacht«.
+++++»Ste­hen und im Kreis lau­fen«, sage ich und weiß, dass das sehr viel leich­ter klingt, als es ist. »Außer­dem, das Ste­hen habt ihr bereits geübt, und selbst wenn er sich wäh­rend­des­sen mal set­zen soll­te, ist das nicht schlimm«, füge ich hin­zu. »Wenn du ihn die gan­ze Zeit über ste­hen lässt, reicht die Kon­zen­tra­ti­on im ent­schei­den­den Moment viel­leicht nicht mehr aus. Und je nach­dem wie vie­le Rüden in der Jugend­klas­se gemel­det sind, kann es schon etwas dau­ern, bis der Rich­ter alle Ein­zel­be­wer­tun­gen vor­ge­nom­men hat. Für einen elf Mona­te alten Rüden kann das schon sehr lang sein«, schlie­ße ich und erin­ne­re mich, wie viel ich als Anfän­ger falsch gemacht habe – bei­na­he alles.
+++++»Ja gut – und was ist mit dem Lau­fen?«, will das ande­re Ende der Lei­tung wis­sen. »Schön bei Fuß, so wie in der Hundeschule?«
+++++»Nein, bloß nicht«, pro­tes­tie­re ich, »der Hund soll­te sich frei bewe­gen, damit er sich opti­mal prä­sen­tie­ren kann. Wenn du ihn Fuß lau­fen lässt, kann er sein Gang­werk nicht rich­tig zei­gen und nimmt wohl nicht nur den Kopf hoch, um dich anzu­schau­en, son­dern trägt wahr­schein­lich auch den Pin­sel viel zu weit oben. Das machen vie­le falsch, die zum ers­ten Mal im Ring stehen«.
+++++»Das müsst ihr mir dann aber erst mal zei­gen – selbst, wenn es um nichts geht«, wen­det das ande­re Ende der Lei­tung mit einem Lachen ein, »ich will mich ja nicht bis auf die Kno­chen blamieren«.
+++++»Schät­ze­lein, das wirst du schon nicht«, sage ich und muss nun selbst lachen, »das Sich-im-Ring-bis-auf-die-Kno­chen-bla­mie­ren bleibt außer­dem mir allein vor­be­hal­ten«. Jetzt lachen wir bei­de. »Des­halb hab’ ich ja auch irgend­wann kurz­ent­schlos­sen Dirk die Aus­stel­lungs­lei­ne in die Hand gedrückt. Ich bin im Aus­stel­lungs­ring kaum erfolg­rei­cher als jemand, der ver­sucht, ein Kamel durchs Nadel­öhr zu trei­ben. Das kann nur schief gehen.«
+++++»Jetzt bin ich auf­ge­regt«, heißt es am ande­ren Ende der Lei­tung. »Vier Wochen? Oh Gott«, und ich ahne, was folgt, »wann könnt ihr hier sein?«
+++++»Immer, das weißt du doch«, ant­wor­te ich.

»Bud­dy«, Broad­me­a­dows Body and Soul, war gera­de ein­mal sechs Wochen alt, als ich sei­nen neu­en Besit­zern das Ver­spre­chen abnahm, ihn – soll­te er sich so ent­wi­ckeln, wie ich es damals erwar­te­te –, zumin­dest ein­mal aus­zu­stel­len. Mei­ne Erwar­tun­gen hat er, so viel kann ich heu­te sagen – und das mögen viel­leicht auch die Fotos bewei­sen, die Dirk ges­tern von ihm gemacht hat –, mehr als erfüllt. Für sei­ne ers­te Aus­stel­lung hin­ge­gen erwar­te ich nichts – nur den Spaß, dabei zu sein.

© Johannes Willwacher