I will live in the past, the present,
and the future. The spirits of all three
shall strive within me.
– Charles Dickens, A Christmas Carol
Drei Geister sind es, die mich in dieser Nacht heimgesucht haben. Um es genau zu nehmen, nicht nur in dieser Nacht, denn wer Hunde hat, wird oft genug aus dem Schlaf hochschrecken, weil sich ein unruhiger Geist durch die Laken wühlt – aber weil der Vergleich es so will, und es eben um die Nacht vor dem ersten Weihnachtstag geht, belasse ich es dabei.
Es ist gerade ein Uhr durch, als mich der erste Geist mit einem langgezogenen Seufzen weckt, das beinahe menschliche Züge trägt, und kaum mißverstanden werden kann. Ich ziehe eine Hand unter der Bettdecke hervor, strecke sie im Dunkeln nach der ungenauen Kontur des Geistes aus und fühle Fell, das flüchtig meine Finger streift – der Kopf des Geistes ruht auf meiner Brust, ein Vorderlauf ist angewinkelt und der Bauch, dem also auch das Seufzen gilt, streckt sich mir auffordernd entgegen. Mit geschlossenen Augen lasse ich die von der Decke befreite Hand zwei oder drei Mal über den mir dargebotenen Bauch streichen, murmle »Heia, Heia«, und döse schließlich wieder ein.
Eine Stunde später schleicht sich der zweite Geist zaghaft in mein Bewusstsein, das eine Weile braucht, um zu bemerken, dass die Wellen, die im Traum gegen meine Ohren branden, bloß Einbildung sind, und viel eher von der Zunge eben jenes Geistes herrühren, der es sich auf meinem Kopfkissen gemütlich gemacht hat. Ich drehe den Kopf leicht und blinzle ins Halbdunkel hinein, erahne Lefzen, die sich kräuseln und mich durch eine Reihe von spitzen, weißen Zähnen einen Blick auf das feuchte Organ erhaschen lassen, das mich aufgeweckt hat. »Heia«, zische ich ihm entgegen, rolle mich auf die andere Seite und versuche, während ich mir beide Handflächen auf die Ohrmuscheln presse, wieder einzuschlafen.
Der dritte Geist schließlich folgt gleich auf den zweiten, und ist, obwohl er sich im Schatten der Hundebox verbirgt und schwerlich mit der gleichen physischen Gewalt in Erscheinung treten kann, wie seine beiden Vorgänger, der Unheimlichste von allen – denn er heult. Er heult so, wie es nur Geister können. Oder eben Rüden, denen der Duft einer läufigen Hündin in der Nase sitzt. Ich selbst sitze gleich darauf senkrecht im Bett, überlege noch kurz, welchen der Hunde ich wohin sortiere, taste dann im Dunkeln nach dem fraglichen Zweiten, und gemeinsam stolpern wir die Treppen hinunter, um die Nacht auf dem Sofa fortzusetzen.
God bless us, every one!
Als die Geister Scrooge verlassen und er am Weihnachtsmorgen erwacht, ist er geläutert und beschließt, fortan ein besserer Mensch zu sein. Mir hingegen tut bloß der Rücken weh. Und doch nehme ich den Gedanken daran mit, während ich mich an den Schreibtisch setze, und das erste Wort, das ich schreibe, ist also »Läuterung«. Was bedeutet das, frage ich mich – und versuche das sperrige Wort durch ein anderes zu ersetzen, eines, das bildhafter ist, und mit dem ich besser arbeiten kann. Nach einigem Nachdenken schreibe ich »Verwandlung« dahinter und lasse beides ein wenig auf mich wirken. Frage mich: Braucht es solche Geister, um Schwächen in Stärken zu verwandeln? Um sich die Konsequenzen der eigenen Handlungen bewusst zu machen, und umzukehren? Ja, denn manchmal scheint man sich, mit allem, was man ist, zu sehr selbst im Weg zu stehen, um noch an ein Umkehren zu denken und um »Vergebung« zu bitten – und dieses dritte Wort kreise ich schließlich in Gedanken ein.
Charles Dickens lässt seine Weihnachtsgeschichte mit einem kindlichen »God bless us, every one!« enden. Unsere Hunde würden das vielleicht ebenfalls tun – sie sind schließlich die sozialeren Lebewesen und brauchen keinen moralischen Kompass oder kategorischen Imperativ, um zu wissen, was zu tun ist. Tun wir es ihnen gleich?
Von uns ein frohes Weihnachtsfest an alle, die es brauchen.
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