You’re the one thing, I can’t get enough of
So I’ll tell you something, this could be love
– »The time of my life«, Medley/Warnes
Nebel schwappt über die Tannen am Hang. Die Sonne müsste längst aufgegangen sein, doch anstatt hell zu werden, wird es bloß grau. Das Gras rund um den Auslauf ist feucht, auch auf dem Gitter schimmern dicke Tropfen. Wenn der Wind darüber hinweg pfeift, erzittern manche und zerfließen. Das Loch, das die Welpen in den letzten Tagen in einer Ecke des Auslaufs gegraben haben, hat sich über Nacht mit Wasser gefüllt. Ringsumher liegen gelbe Blätter. Ich bücke mich, hebe eine der Kirschen auf, die das letzte Gewitter vom Baum gepflückt hat, und stecke sie zu den anderen in die Tasche meiner Jogginghose. Denke an den Herbst und beschließe, dass es jetzt schon zu kalt ist, um morgens im T-Shirt draußen zu sein. Ich gehe ins Haus. Der Herbst soll warten, die Welpen können das nicht.
Das Radio im Welpenzimmer rauscht. Ich hantiere unbeholfen an der Antenne herum, drehe sie erst nach links, dann nach rechts, und statt des Rauschens höre ich irgendwann leise Stimmen. Jemand singt. Now I’ve had the time of my life. Während ich noch versuche, die Lautstärke zu regulieren, schieben sich bereits die ersten Nasen neugierig durch das Gitter, angeln mit krallenbewährten Pfoten nach meinen Hosenbeinen. Mit einem »Ja, ja« auf den Lippen greife ich nach dem Schrubber, der an den Türrahmen gelehnt steht, fingere am Henkel des Putzeimers, und steige schließlich über das Gitter. Das ich kaum dazu komme, den Eimer abzustellen, stört mich weniger. Viel eher sind es die Zähne, die sich, wie feine Nadelstiche, in meine Hände und Füße bohren. »And I au it all to you«, heule ich mit dem Radio mit.
Zwischenzeitlich hat sich einer der Welpen, Joey, den Henkel des Eimers geschnappt und zieht in sich über die Fließen hinterher, das Wasser schwappt schäumend gegen den Rand, der Welpe dahinter, Pepper, weiß plötzlich, wie es ist, gewaschen zu werden. Ich versuche den Eimer zurück zu erobern, werde aber von zwei anderen Welpen ausgebremst, die mich von hinten festhalten: Iska und Beau ziehen, was das Zeug hält, und ich frage mich, wie lange der Stoff der Jogginghose noch aushalten wird, bis er den Welpenzähnen nachgibt und zerreißt. Die beiden anderen Welpen sitzen vor mir und schauen mich mit großen Augen an. Weil ich ohnehin längst ahne, dass ich erst einmal nicht zum Putzen kommen werde, greife ich mir die beiden und tanze mit der Musik mit. Don’t be afraid to lose control. Dirty Dancing hatte ich mir immer anders vorgestellt.
»Was ist denn mit dir passiert?«, fragt Dirk, als ich kurz darauf in die Küche komme. Ich schaue an mir herunter und bemerke einen satten, roten Fleck, der das Grau meiner Jogginghose wie ein Geschwür durchdringt. Kirschen. »Ich habe eine Wassermelone getragen«, sage ich und breche in schallendes Gelächter aus.
Sechs Wochen sind unsere Welpen nun alt – und in nicht ganz drei Wochen werden uns die ersten bereits verlassen haben. Das Welpenzimmer und den Garten, große und auch kleine Menschen, was in und ums Haus klappert und scheppert – all das kennen sie schon. Zeit für uns also ihnen zu zeigen, dass die Welt nicht am Gartentor endet, sondern erst dort beginnt. Dass es Autos gibt und Tierärzte und manchmal auch Spritzen. Drei Wochen sind hoffentlich eine ganz lange Zeit.
© Johannes Willwacher