28|06|2013 – Schwa­nen­see für vier­und­zwan­zig Pfoten

Heute, nach zweieinhalb Tagen, haben unsere Welpen bereits schön an Gewicht zugelegt, im Durchschnitt gut 100 Gramm. Ida zeigt sich als fürsorgliche Mutter.

Schnau­fend drehst du dich ein paar Mal hin und her, die Augen sind geschlos­sen, die Decke raschelt über dei­nen nack­ten Füßen. Durch die Lider ist der schwa­che Schein der Rot­licht­lam­pe zu erken­nen, die am ande­ren Ende des Zim­mers Wär­me spen­den soll, dir aber sur­rend den Schlaf raubt. Nach­dem du dich noch ein­mal um dich selbst gedreht hast, schaffst du es bei­na­he traum­los einzuschlafen.

Durch das Kis­sen bohrt sich der fei­ne Kiel einer Gän­se­fe­der in dei­ne Wan­ge, aber des­halb wachst du nicht auf. Nicht, weil du merkst, dass das Zim­mer und die Decke viel zu warm sind, auch nicht, weil vor dem Fens­ter bereits der Mor­gen graut. Du wachst auf, weil jemand singt. Du wun­derst dich. Es ist das Nacht­lied eines Schwa­nes. Dass der Gesang dabei viel mehr an »Alle mei­ne Ent­chen« erin­nert, als sich träu­me­risch über einen mond­hel­len See zu ergie­ßen – ganz so, wie es der Par­ti­tur von Tschai­kow­skis Bal­lett ent­sprä­che – stört dem Anschein nach aber nur dich. Die Sän­ge­rin selbst singt unbe­irrt wei­ter. »Wer nicht hören kann, der soll­te auch nicht sin­gen dür­fen«, denkst du, über­legst, wie fest du dir das Kis­sen auf die Ohren drü­cken kannst, denkst an Federn und Kie­le und stol­perst schließ­lich ins Halb­dun­kel hin­ein. Kurz nickst du dem unra­sier­ten Sche­men zu, der rot leuch­tend im dunk­len Fens­ter auf­blitzt, dabei kaum an den Zau­be­rer Rot­bart, viel mehr an eine unaus­ge­schla­fe­ne Ver­si­on dei­ner selbst erin­nert, mit Augen­rin­gen so tief wie Burg­grä­ben. Ver­stoh­len wirfst du einen Blick über den Rand der Wurf­kis­te und ent­deckst den sin­gen­den Schwan ver­steckt im beben­den Laken. Behän­de zau­berst du ihn dar­un­ter her­vor, setzt ihn zurück an die Zit­ze, denkst selbst dar­über nach wei­ter zu schla­fen, ent­schei­dest dich anders, ver­weilst und schaust zu. Und hier bist du ich.

»Um Him­mels Wil­len, was ist das?«, war von Ida’s Blick abzu­le­sen, nach­dem der ers­te Wel­pe gebo­ren war. Ohne zu zögern riss ich selbst die Eihaut ein und zog sie dem Wel­pen über den Kopf, Ida schau­te mich nur hil­fe­su­chend an. Wäh­rend bei Nell im letz­ten Herbst sofort die müt­ter­li­chen Instink­te erwacht waren, brauch­te Ida eini­ge Zeit um zu begrei­fen, das die­ses eigen­ar­ti­ge, fie­pen­de Ding, das nass und blut­ver­schmiert vor ihrer Nase lag ein Wel­pe – ihr Wel­pe – war. Ich leg­te ihr den Wel­pen zum Trin­ken an und sie ließ gewäh­ren. Die letz­ten bei­den Wel­pen nabel­te sie schließ­lich auch selbst ab und säu­ber­te sie – unser Glück, denn mit einem sechs­ten Wel­pen hat­ten wir gar nicht mehr gerech­net und bemerk­ten erst, dass aus unse­ren fünf Wel­pen sechs gewor­den waren, als erneut schmat­zen­de Geräu­sche aus der Wurf­kis­te drangen.

Heu­te, nach zwei­ein­halb Tagen, haben unse­re Wel­pen bereits schön an Gewicht zuge­legt, im Durch­schnitt gut 100 Gramm. Sie sind putz­mun­ter und Ida eine sehr für­sorg­li­che Mut­ter – das macht mich froh und ganz tief drin­nen auch unend­lich traurig.

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