Heute, nach zweieinhalb Tagen, haben unsere Welpen bereits schön an Gewicht zugelegt, im Durchschnitt gut 100 Gramm. Ida zeigt sich als fürsorgliche Mutter.
Schnaufend drehst du dich ein paar Mal hin und her, die Augen sind geschlossen, die Decke raschelt über deinen nackten Füßen. Durch die Lider ist der schwache Schein der Rotlichtlampe zu erkennen, die am anderen Ende des Zimmers Wärme spenden soll, dir aber surrend den Schlaf raubt. Nachdem du dich noch einmal um dich selbst gedreht hast, schaffst du es beinahe traumlos einzuschlafen.
Durch das Kissen bohrt sich der feine Kiel einer Gänsefeder in deine Wange, aber deshalb wachst du nicht auf. Nicht, weil du merkst, dass das Zimmer und die Decke viel zu warm sind, auch nicht, weil vor dem Fenster bereits der Morgen graut. Du wachst auf, weil jemand singt. Du wunderst dich. Es ist das Nachtlied eines Schwanes. Dass der Gesang dabei viel mehr an »Alle meine Entchen« erinnert, als sich träumerisch über einen mondhellen See zu ergießen – ganz so, wie es der Partitur von Tschaikowskis Ballett entspräche – stört dem Anschein nach aber nur dich. Die Sängerin selbst singt unbeirrt weiter. »Wer nicht hören kann, der sollte auch nicht singen dürfen«, denkst du, überlegst, wie fest du dir das Kissen auf die Ohren drücken kannst, denkst an Federn und Kiele und stolperst schließlich ins Halbdunkel hinein. Kurz nickst du dem unrasierten Schemen zu, der rot leuchtend im dunklen Fenster aufblitzt, dabei kaum an den Zauberer Rotbart, viel mehr an eine unausgeschlafene Version deiner selbst erinnert, mit Augenringen so tief wie Burggräben. Verstohlen wirfst du einen Blick über den Rand der Wurfkiste und entdeckst den singenden Schwan versteckt im bebenden Laken. Behände zauberst du ihn darunter hervor, setzt ihn zurück an die Zitze, denkst selbst darüber nach weiter zu schlafen, entscheidest dich anders, verweilst und schaust zu. Und hier bist du ich.
»Um Himmels Willen, was ist das?«, war von Ida’s Blick abzulesen, nachdem der erste Welpe geboren war. Ohne zu zögern riss ich selbst die Eihaut ein und zog sie dem Welpen über den Kopf, Ida schaute mich nur hilfesuchend an. Während bei Nell im letzten Herbst sofort die mütterlichen Instinkte erwacht waren, brauchte Ida einige Zeit um zu begreifen, das dieses eigenartige, fiepende Ding, das nass und blutverschmiert vor ihrer Nase lag ein Welpe – ihr Welpe – war. Ich legte ihr den Welpen zum Trinken an und sie ließ gewähren. Die letzten beiden Welpen nabelte sie schließlich auch selbst ab und säuberte sie – unser Glück, denn mit einem sechsten Welpen hatten wir gar nicht mehr gerechnet und bemerkten erst, dass aus unseren fünf Welpen sechs geworden waren, als erneut schmatzende Geräusche aus der Wurfkiste drangen.
Heute, nach zweieinhalb Tagen, haben unsere Welpen bereits schön an Gewicht zugelegt, im Durchschnitt gut 100 Gramm. Sie sind putzmunter und Ida eine sehr fürsorgliche Mutter – das macht mich froh und ganz tief drinnen auch unendlich traurig.
Comments are closed.