Du hast einen Fernseher? Dann bist ja auch du ein Hundetrainer! Über lehrreiche Spaziergänge, Hundeerziehung und Paul. Aber wer ist das eigentlich?

»César Millan macht das auch so, hat unser Trainer gesagt«,
meint sie, »der hat alle Folgen auf DVD« …

»Der hat sein Bäll­chen«, heißt es als ich fra­ge, ob der Hund, der gera­de lus­tig hechelnd die Bei­ne sei­ner Besit­ze­rin umrun­det, denn auch sport­lich geführt wer­de. »Eine Hun­de­schu­le brau­chen wir nicht. Haben wir aus­pro­biert, hat uns nicht gefal­len. Oder Paul?«, will ein fra­gen­der Blick von dem brau­nen Labra­dor Retrie­ver wis­sen. Paul scheint zustim­mend zu nicken. Paul hat ja sein Bäll­chen. »Wenn es Pro­ble­me bei der Erzie­hung gibt, dann hilft uns jemand aus der Nach­bar­schaft«, sagt sie und fügt betont bei­läu­fig bei, dass die­ser jemand Hun­de­trai­ner sei. »Der hat es echt raus, also – so rich­tig wie bei Rüt­ter«, und wie zum Beweis zieht sie eine zer­beul­te Bon­bon­do­se aus der Jacken­ta­sche, die sie kurz schüt­telt. Im Inne­ren schla­gen schep­pernd Stei­ne gegen das Blech. Augen­blick­lich hört der hecheln­de Labra­dor Retrie­ver auf zu hecheln und schaut sei­ne Besit­ze­rin fra­gend an. Die steckt die Dose wie­der ein und meint, dass man damit fast alles in den Griff bekom­me. »Außer viel­leicht das Jagen, so weit kann man ja kei­ne Dose wer­fen«. Als ich wis­sen will, ob das denn die ein­zi­ge Erzie­hungs­me­tho­de sei, die ihr Trai­ner bei uner­wünsch­tem Ver­hal­ten anwen­de, schüt­telt sie ent­schlos­sen den Kopf: »Nein, nein – an der Stra­ße geht das ja nicht, da kann man nichts wer­fen«. Und wäh­rend sie Mit­tel- und Zei­ge­fin­ger an der Sei­te des Hun­des krei­sen lässt, klärt sie mich auf, dass der Paul jedes Mal, wenn er nicht auf­pas­se einen Stoß in die Rip­pen bekom­me: »Dann ist er sofort da«. Ich mache gro­ße Augen und erwi­de­re ein »Aha« – nicht etwa weil ich mich dar­über ent­rüs­ten möch­te, nein – viel eher, weil mir schlicht und ergrei­fend nichts bes­se­res ein­fällt. »César Mil­lan macht das auch so, hat unser Trai­ner gesagt«, meint sie, »der hat alle Fol­gen auf DVD¹ und bekommt damit ruck-zuck jeden Hund wie­der in die Spur«. In mei­nem Kopf kreist noch immer ein ein­sa­mes »Aha« vor sich hin. »Was nimmt ihr Trai­ner denn für eine Stun­de?«, fra­ge ich schließ­lich. »Zwan­zig Euro – aber der ist jeden Cent davon wert«, ant­wor­tet sie lächelnd und lässt Paul, der end­lich auf­ge­hört hat ihre Bei­ne zu umkrei­sen, neben sich absit­zen, »und was machen Sie so mit ihren Hunden?«

Kleine Erziehungshäppchen, die, gut vorgekaut,
die Konzentration nur wenig strapazieren …

Bestä­ti­gung durch Beloh­nung: Mund­ge­rech­te Häpp­chen, mög­lichst klein geschnit­ten, um – so habe ich es irgend­wann ein­mal gelernt – gleich geschluckt wer­den zu kön­nen. Kon­zen­trie­ren, nicht kau­en. Mit dem, was für die Erzie­hungs­me­tho­den des Hun­de­flüs­te­rers aus der Nach­bar­schaft Pate stand, ver­hält es sich ähn­lich – und doch anders: Klei­ne Erzie­hungs­häpp­chen, die, gut vor­ge­kaut, die Kon­zen­tra­ti­on nur wenig stra­pa­zie­ren. Anneh­men, der Mensch auf dem Bild­schirm kön­ne tat­säch­lich Wun­der voll­brin­gen, soll­te man dabei aller­dings nicht: Auch ein Mar­tin Rüt­ter gibt zu, dass die Sen­de­zeit nur einen Bruch­teil der Arbeit abbil­det die geleis­tet wer­den muss, um einen Hund – wie Pauls Frau­chen mein­te – wie­der in die Spur zu brin­gen. Zwi­schen drei und sechs Mona­ten ist ein gan­zes Team von Trai­nern und Coa­ches damit befasst. Ruck-zuck geht anders.

Pech für Paul. Aber wo ist der eigentlich?

Im Fall von Paul aber viel­leicht bald gar nicht mehr: Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ernäh­rung, Land­wirt­schaft und Ver­brau­cher­schutz hat im ver­gan­ge­nen Jahr eine Novel­lie­rung des Tier­schutz­ge­set­zes beschlos­sen, die in die­sem Jahr in Kraft tre­ten soll. Die­se for­dert unter ande­rem die Erlaub­nis­pflicht gewerbs­mä­ßig betrie­be­ner Hun­de­schu­len und soll »ins­be­son­de­re ein Min­dest­maß an Sach­kun­de der Aus­bil­der und Schulungsleiter«² sicher­stel­len. Dass die­ser Schritt längst über­fäl­lig ist beweist nicht nur die Zahl kon­kur­rie­ren­der Hun­de­schu­len, die sich seit 2006 knapp ver­drei­facht hat: Neben einer Viel­zahl von Diplo­men und Lizen­zen, die eine tier­ge­rech­te Aus­bil­dung beschei­ni­gen wol­len, fin­den sich fast eben so vie­le Erzie­hungs­kon­zep­te, die um zah­lungs­wil­li­ge Inter­es­sen­ten buh­len – weit ent­fernt vom ein­heit­li­chen Stan­dard, der auch vom Bun­des­ver­band der Hun­de­er­zie­her und Ver­hal­tens­be­ra­ter (BHV) gefor­dert wird. Der­zeit ist von einer Über­gangs­frist von einem Jahr aus­zu­ge­hen. Pech für Paul. Aber wo ist der eigentlich?

Das Sprühhalsband gibt es auch mit Fernbedienung …

Wäh­rend ich Pauls Frau­chen erzäh­le, dass das Leben mit drei Bor­der Col­lies nicht aus­schließ­lich auf dem Hun­de­platz statt­fin­det, hat Paul ent­schie­den, dass ihn das nicht inter­es­siert. Mit erho­be­ner Rute ist er erst schnüf­felnd eini­ge Run­den zwi­schen den kah­len Bäu­men auf und ab gelau­fen, um sich zu guter Letzt gleich ganz und gruß­los zu ver­ab­schie­den – Pauls Frau­chen guckt. »Und jetzt?«, fra­ge ich. »Jetzt gibt es eben doch das Sprüh­hals­band«, sagt sie mit sicht­lich ange­streng­ter Mie­ne, »das gibt es auch mit Fern­be­die­nung«. Ich gucke. Das Zusch auch her­vor­ra­gend zu Ruck-zuck passt, sage ich nicht. Statt­des­sen, man ahnt es, nur: »Aha«.

  1. IKEA hat vor ein paar Jah­ren damit gewor­ben, dass jeder, der einen Com­pu­ter hat, auch ein Desi­gner ist. Das fand ich, der acht Semes­ter stu­diert hat, um sich so nen­nen zu dür­fen, irgend­wie schräg. An der Tat­sa­che, dass sich den­noch jeder Desi­gner nen­nen darf, der weiß, wie man einen Com­pu­ter anschal­tet, ändert aber auch das nichts, denn die Berufs­be­zeich­nung ist – im Gegen­satz zu vie­len ande­ren – nicht geschützt. Ähn­lich ver­hält es sich mit dem, der dar­über nach­denkt eine Hun­de­schu­le zu eröff­nen und sich Hun­de­trai­ner zu nennen.
  2. »Hun­de­schu­len haben einen wesent­li­chen Ein­fluss auf die Aus­bil­dung von Hun­den und geben Kennt­nis­se an Hun­de­hal­ter wei­ter. Mit die­ser Rege­lung soll erreicht wer­den, dass alle gewerbs­mä­ßig betrie­be­nen Hun­de­schu­len der Erlaub­nis­pflicht unter­lie­gen, um ins­be­son­de­re ein Min­dest­maß an Sach­kun­de der Aus­bil­der und Schu­lungs­lei­ter sicher­zu­stel­len«. (§11 Absatz 1 Satz 1 Num­mer 7 Buch­sta­be f)

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