Über die Persönlichkeiten unserer Border Collie Welpen nachgedacht: Welche Eigenschaften hat dieser, was zeichnet den anderen aus? Ein nicht ganz ernst zu nehmender Versuch …
»Da, da, da! Ich hab’s genau gehört, die Tür ist aufgegangen«, meint einer und wie zur Antwort strecken sich die anderen Geschwister schlaftrunken. Gähnend wackelt einer nach dem anderen zur Tür, hebt die Nase, wittert erwartungsfroh – bis schließlich einer mit leisem Knurren feststellt: »Riecht nicht – nicht nach Mensch am Morgen. Mensch am Morgen riecht muffig!« Hinter der Tür bleibt es still.
»Aber ich bin mir sicher, dass ich was gehört habe«, meint wieder der Erste, »wenn ich eines ganz sicher kann, dann ist es Hören!«
Hüstelnd drängt sich eine der Schwestern nach vorne, ihre grünen Augen glitzern im schattigen Halbdunkel: »Liebes Brüderchen, du magst vieles können – aber Hören?« Die kleine Hündin rümpft die Nase und fügt, nach einer kunstvoll gesetzten Pause – ganz so, wie es nur den größten aller Diven gebührt – mit einem kalten Lächeln hinzu: »Zu Schreien scheint bei weitem dein größeres Talent zu sein. Und wie du weißt, kann man nicht beides – wer schreit kann nur sich selber hören!«
Betreten schaut der Bruder unter sich, ringsumher hört man es leise kichern.
Mit hoch erhobener Rute fährt die Rote fort: »Wenn der Herr das Geschrei den Herrschaften zuliebe also einstellen möge? So fände der Plebs …«
»Der Plebs,« mischt sich die andere Schwester ein, »der Plebs? So nennt uns eine, die noch nicht einmal weiß, wie man einen Löffel apportiert? Die noch immer in den Finger beißt, statt dem Finger zu folgen und sich fein auf den Hintern zu setzen? Ich …«
»Ich, ich. Dich hat niemand nach deiner Meinung gefragt«, bellt die Rote und wird für einen kurzen Moment noch roter, »wenn es nach dir ginge, dann würden wir alle den ganzen Tag wie Zirkuspferdchen im Kreis laufen und blöde Kunststückchen lernen.«
»Das stimmt doch gar nicht!«
»Du bist blöd!«
»Selber blöd!«
»Ihr seid alle blöd«, mischt sich schließlich schlichtend einer der Brüder, der bisher ruhig am Rande gesessen und an seiner Pfote gekaut hatte, ein. Gemächlich erhebt er sich nun, buckelt und schüttelt die Müdigkeit aus allen vier Pfoten: »Wenn ihr richtig hingehört hättet, dann wäre euch längst aufgefallen, dass sich die Tür am Morgen immer erst dann öffnet, wenn Wasser durch das Rohr gerauscht ist.« Sechs Augenpaare richten sich auf das Rohr in der Ecke. Mit einem Satz kommt der Bruder davor zu stehen und beginnt, dasselbe mit der Nase zu untersuchen. Einmal links herum, einmal rechts – die schwarzglänzenden Nasenflügel flattern aufgeregt. »Kein Wasser«, meint er endlich und unterstreicht mit einem geräuschvollen, zweifachen Niesen das Ergebnis der Nasenarbeit, »und wo kein Wasser ist, da ist wohl auch niemand auf den Beinen.«
»Wie scharfsinnig, liebes Brüderchen«, kontert die Rote, »ein allwissendes, rauschendes Rohr! Ob mir das Rohr wohl verrät, wer heute nacht ins Bällebad gemacht hat?«
Der Bruder lässt beleidigt die Nase sinken. Kurz scheint er zu überlegen, ob er der Schwester das heimzahlen oder es zumindest vorerst dabei bewenden lassen soll. Statt sich kleinlaut unter der Brücke zu verkriechen – so wie er es sonst zu tun beliebt – entscheidet er schließlich, sich an Ort und Stelle zusammenzurollen und dieses Mal beide Augen zuzudrücken.
»Eigentlich«, setzt der nächste, der erstgeborene Bruder zu sprechen an, »ja, eigentlich hatte er ja recht.«
Böse funkeln ihn zwei grüne Augen an. »Oho«, höhnt die Rote in hochnäsigem Ton, »der Schoßhund hat ja auch eine Stimme!«
»Du nennst mich Schoßhund?«, knurrt darauf der Bruder, die Lefzen gekräuselt, das Fell aufgestellt.
»Wer thront denn zuvorderst im Schoß seines Menschen und beißt jeden anderen blind aus dem Weg?« Nun knurrt auch die Rote und kaum zählt man bis drei, kugelt ein knurrendes Knäuel wild umher. Zähne klappern und Tatzen fliegen, mal sieht man die eine, dann den anderen oben liegen – und als endlich ausgefochten ist, glitzert ein hauchdünnes Rinnsal im ersten Licht des frühen Morgens.
»Die hat sich bepisst«, ätzen drei Brüder und halten sich lachend den bebenden Bauch.
Nur einer sitzt abseits und schaut in die Pfütze. »Schön«, lässt er wissen, »schön bin ich auch!«
Als ich gegen halb acht die Tür zum Welpenzimmer öffne, stürmen mir sechs Welpen freudig wedelnd entgegen. Lou niest zwei Mal kurz, Gonzo schreit auf vor Freude, Avalon macht schöne Augen und lächelt mich an. Und während sechs von sechs Welpen sich um den Futternapf scharen, denk ich im Stillen was diese des Nachts wohl getan.
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