Vier Wochen, die Zeit läuft rückwärts: Mit einem Welpen in jedem Arm sitze ich im Spielzimmer, um mich herum werden Bälle gerollt, wird in Socken gebissen und sich auf dem Boden gekugelt …
Haltet alle Uhren an – die Zeit geht fort,
sie will nicht rückwärts laufen …
Mit einem Welpen in jedem Arm sitze ich im Spielzimmer, um mich herum werden Bälle gerollt, wird in Socken gebissen und sich auf dem Boden gekugelt, über allem rauscht das Radio. Die Pfote eines Welpen streift meine Wange, als die ersten Takte aus dem Lautsprecher klingen, ein einfacher Basslauf, sofort wieder erkannt, und mit den beiden Welpen im Arm wiege ich mich mit. Dass meine Augen feucht werden, als die Stimme anfängt zu singen bleibt noch ein wenig mein Geheimnis, vier Wochen noch, und ich atme zarte Welpenküsse in mich hinein. Every breath you take, every move you make …
Nicht mit mir!
Daran, dass auch die zweite Wurmkur, mit der wir die fünfte Woche im Leben unserer Welpen eingeläutet haben, dem Welpengaumen kaum geschmeckt haben dürfte, hat Arix keinen Zweifel gelassen. Kaum hatte sich der Konus der Spritze zwischen den sich widerwillig zusammenpressenden Welpenzähnen entleert, weiteten sich die Augen: Den Schrecken einflößen? Doch nicht mit mir! Schutzlos ergeben sitze ich plötzlich im Regen – und es regnet gewaltig aus schwarz-weißem Mund. Als ich mir schließlich die Augen gerieben, mich aufgerappelt und abgewischt habe, ist der spuckende Hund längst sonst wo verschwunden – also wringe ich den Lappen aus und wische feucht nach.
Wischen? Das muss Löschwasser sein.
Zum Glück ist das kleine rote Feuerwehrauto immer da, wo es brennt. Mit »Ta-tü« und »Ta-ta« rollt es blitzschnell zur Brücke, biegt bald darauf ab, vorbei an der Wippe, überschlägt sich beinahe, bremst in meinen Schoß: Edda ist da! Das Blaulicht vergessen, bittet man den Bauch angemessen – so wie Bäuche es mögen – mit der Hand zu verwöhnen. Will kein Unmensch sein, denk ich, und während ich kraule, stellt sich einerseits Glucksen und meinerseits Gänsehaut ein.
Wildgänsehaut – mmh … ein Gedicht!
Mit den Fingerspitzen der einen Hand zwirble ich das Fell hinter seinen Ohren, die andere Hand hält die Fernbedienung, das Bild flackert auf. Der abendliche Ausflug ins Wohnzimmer findet samt und sonders Gefallen – den Logenplatz allein vorbehalten, gefällt es Lou fast zu gut. Die Ohren gespitzt, folgt der Blick den Geräuschen, der kleine Kopf zuckt, es arbeitet darin. Da gackern drei Gänse – die hab ich gesehen – da brummt eine Hummel durch kniehohes Gras. Da zuckt ein Blitz, da grollt das Gewitter, und gleich dahinter, da blökt ein Schaf. In meinem Arm ist es warm und gemütlich, zufriedenes Schmatzen, und fast schläft man ein. Und hat sich ganz heimlich auch schon eingeprägt, das jenes Tier muht und das andere mäht.
Gute Abend, gute Nacht – und guten Morgen!
Wenn ich am Morgen auf Zehenspitzen zur Zimmertür schleiche, dann wartet einer bereits sehnsüchtig wedelnd auf mich. Aufmerksam wird jeder meiner Schritte verfolgt – erst knipst er das Licht an, dann rümpft er die Nase, reißt Papier von der Rolle und beugt sich zu mir – und während ich noch mit stockendem Atem auflese, was die Nacht mir zuhauf hinterlassen hat, hüpft er mit fröhlichem Schritt der Hand hinterher, die sich raschelnd mal hierhin, mal dorthin bewegt, ist ganz bei mir und aus Knopfaugen strahlt es. Mehr Border Collie geht nicht, denke ich bei mir, und lasse den brummigen Bärenbruder noch ein wenig länger die Hand belecken, die ohnehin kaum besseres zu tun weiß: Avalon. Dass dieser noch niemandes Herz bezaubert hat, kann ich selbst nicht recht glauben, denn meines wird Tag für Tag aufs neue bestürmt. Rundherum regt es sich nun und als einer von Fünfen schaut mich – bleib doch – ein einsamer Welpe an.
Fünf Welpen?
Fünf? Als beim Abzählen auch sämtliche Finger versagen und keinen sechsten Welpen finden wollen, beginne ich unruhig zu werden. Die Identität des fehlenden Welpen ausfindig zu machen fällt nicht weiter schwer – es war ohnehin nur noch eine Frage der Zeit, bis diesem die Flucht aus Welpcatraz glücken würde – allein wo dieser sich versteckt hält, bereitet mir Bauchschmerzen. Nachdem die üblichen Verstecke in Augenschein genommen wurden, ohne dass die erhoffte Festnahme erfolgt wäre, höre ich ein leises Kratzen unter dem Bett. Als ich die Verblendung abnehme – dort wohlweislich angebracht, um jedem Welpen den Zugang zu erschweren – blicken mich aus dem Halbdunkel zwei funkelnde Augen an: Inmitten von Fell und Flusen fläzt sich Arthur, der Ausbrecherkönig. Und während er noch wimmert, dass doch auch der stärkste Mann Freunde braucht, befördere ich den Flüchtigen mit zwei Handgriffen zurück in die Wurfkiste.
Ordnung muss sein!
Liv liebt es die Wurfkiste aufzuräumen – hier wird das Laken ein wenig angehoben, aufgeschüttelt, dort die Falten glatt gezogen. Wer es wagt ihr ins Handwerk zu pfuschen, dem droht ähnliches – und da die Buben dem kleinen Glück der Hausfrau kaum ausreichend Beachtung schenken, wird erst mit dem einen der Boden gefegt, um dann mit dem nächsten behelfsmäßig durch zu bohnern. Dass die Blume der Hausfrau vier Pfoten hat und quietscht, wenn man drauf beißt, beeindruckt wenig – erst wenn es überall wieder blitzt und blinkt lässt man die Lumpen ruhen, beschließt den Tag und gleich darauf die Augen, träumt von bunt bezopften Bügeleisen und zweibeinig betriebenen Staubsaugern.
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