Was wohl die eine Hündin denkt, wenn die andere trächtig ist? Wenn die eine Hündin »Ida« heißt, könnte die Antwort vielleicht so – und nicht unbedingt schmeichelhaft klingen …
Mich hat zwar niemand gefragt, aber ich schätze, das tut auch nichts zur Sache. Mit größtmöglichem Wohlwollen habe ich mir dieses Schauspiel nun sieben Wochen lang angeschaut, habe meine Menschen machen lassen und bin ein feines Mädchen gewesen. Andere waren das nicht. Aber vielleicht sollte ich – auch wenn Sie womöglich längst ahnen, wer diese Zeilen schreibt – mich erst einmal vorstellen: Mein Name ist Ida, ich bin fast zwei Jahre alt, ohne angeben zu wollen wunderschön und ich habe die Schnauze voll. Aber sowas von voll!
Vor zwei Monaten hat alles angefangen. Nell und ich waren läufig, ich sogar ein wenig früher, stärker und roter – trotzdem hat man ihr gleich viel mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen. Dass sie alleine in den Urlaub fahren durfte habe ich gerne hingenommen, denn sie war ja schon am Tag darauf wieder da – kann also so toll nicht gewesen sein, dieser Urlaub. Nur – seitdem wird hier so viel Aufhebens darum gemacht, dass ich so langsam beginne am Verstand meiner Menschen zu zweifeln. Nell hier, Nell da – mich fragt ja niemand!
Wenn Nell meint, Gras fressen zu müssen, dann fresse auch ich Gras. Wenn ihr danach schlecht ist, lässt sich auch mein Bauch nicht lange bitten. Blümerant, mit leerem Blick – das bekomme ich viel besser hin – und trotzdem belässt man es dabei, dass sie ganz viel und ich viel zu wenig bekomme, wenn der große, gelbe Sack geöffnet wird. Damit nicht genug – während man mich förmlich verhungern lässt, wird sie, weil sie ja noch immer nicht dick genug ist, mit Dosenfutter vollgestopft. Dosenfutter! Wen wundert es da noch, dass ihr immer schlecht ist? Wer vor lauter Schlechtigkeit kaum laufen kann, der sollte vielleicht mal darüber nachdenken, weniger zu essen. Nein, stattdessen wird der Fünf-Minuten-Spaziergang eingeführt – das kommt der dicken Trommel gerade recht – und mich fragt mal wieder niemand!
Zehn Tage noch, meine liebe Ida, dann wirst auch du verstehen, dass man nicht immer die erste Geige spielen kann – auch dann nicht, wenn man fast zwei Jahre alt und wunderschön ist. Dann wirst auch du verstehen, dass die vier Kilogramm mehr, die Nell gerade mit sich herumträgt, nicht nur Dosenfutter sind. Dann wirst auch du verstehen – und ein großes Mädchen sein!
Zehn Tage noch, der Bauch misst 73 Zentimeter – die Zeit rennt. Ein guter Zeitpunkt vielleicht, um Wetten abzuschließen: Wer sich bis zur Geburt ins Gästebuch einträgt und einen Tipp abgibt, wie viele Welpen wir erwarten – sowohl Rüden, als auch Hündinnen – der gewinnt, sollte er richtig liegen, einen wunderschön gezeichneten Welpen.
© Johannes Willwacher