Die großen Geschichten Hollywoods und die kleinen Wunder des Lebens: manchmal braucht es mehrere Anläufe, um einen Traum zu verwirklichen.

1975 ist Law­rence Kas­dan sechs­und­zwan­zig Jah­re alt. Er hat Päd­ago­gik an der Uni­ver­si­ty of Michi­gan stu­diert und 1971 abge­schlos­sen, um Eng­lisch­leh­rer an einer High­school zu wer­den. Doch es gibt kei­ne Stel­len für Eng­lisch­leh­rer, und Kas­dan muss umdenken.

Also schreibt er Dreh­bü­cher. Aber auch dabei bleibt der Erfolg aus. Das sechs­te Dreh­buch, das er ver­fasst, han­delt von einer Sän­ge­rin, die sich in ihren Leib­wäch­ter ver­liebt. Es ist das ers­te Dreh­buch, das er wirk­lich gut fin­det. Für die Titel­rol­le hat er Ste­ve McQueen im Hin­ter­kopf. Den­sel­ben kann er zwar nicht für sein Dreh­buch begeis­tern, aber immer­hin gelingt es ihm, einen Agen­ten auf sich auf­merk­sam zu machen. Kas­dan zieht nach Los Ange­les, das Dreh­buch wird von einem Pro­du­zen­ten zum nächs­ten geschickt. Sie­ben­und­sech­zig Mal wird es abge­lehnt, bis sich nach zwei Jah­ren schließ­lich John Cal­ley ent­schließt, die Film­rech­te für War­ner Bros. zu erwer­ben. Kas­dan erhält 20.000 Dol­lar. Gemein­sam mit John Boor­man, der als Regis­seur aus­ge­wählt wird, macht er sich dar­an, das Dreh­buch umzu­schrei­ben. Ryan O’Neal und Dia­na Ross sol­len die Haupt­rol­len spie­len. Als Letz­te­re sich jedoch aus dem Pro­jekt zurück­zieht, wan­dert auch das Dreh­buch 1979 zurück in die Schub­la­de. Und bleibt dort sechs Jah­re lie­gen. 

»Was ist das für ein Mensch, der bereit ist, sein Leben für jeman­den zu opfern«, sagt Kas­dan 1985 zu einem Schau­spie­ler, dem er zwi­schen zwei Sze­nen das ange­staub­te Dreh­buch in die Hän­de drückt, »viel­leicht sogar für jeman­den, den er nicht ein­mal mag?« Aus dem erfolg­lo­sen Dreh­buch­au­tor ist inzwi­schen ein bekann­ter Regis­seur gewor­den. Und auch aus dem bis dahin nahe­zu unbe­kann­ten Schau­spie­ler – die Neben­rol­le in dem Wes­tern »Sil­ver­a­do« hat er einem Freund­schafts­dienst von Kas­dan zu ver­dan­ken – soll in der Fol­ge ein gefei­er­ter Star wer­den. Sein Name ist Kevin Cos­t­ner. 

Noch ein­mal sechs Jah­re spä­ter – Kevin Cos­t­ner ist gera­de mit zwei Oscars aus­ge­zeich­net wor­den – wird die Schub­la­de auf Drän­gen des Schau­spie­lers wie­der geöff­net. In »The Body­guard« soll nun Whit­ney Hous­ton die weib­li­che Haupt­rol­le spie­len. Die zwei­te Chan­ce für das Dreh­buch mar­kiert einen Wen­de­punkt. Der Film wird ein Welt­erfolg. Und irgend­wo singt Whit­ney Hous­ton auch heu­te noch »I will always love you«.

Genau­so wie »The Body­guard« eine zwei­te Chan­ce bekam und zum Welt­erfolg wur­de, haben auch wir die zwei­te Chan­ce genutzt, um es erneut mit Elvis und Fate zu ver­su­chen. Im ver­gan­ge­nen Jahr fiel Fates Läu­fig­keit in die ers­ten Mai­wo­chen. Ein denk­bar ungüns­ti­ger Zeit­punkt, hat­ten wir doch ein Feri­en­haus in den schot­ti­schen High­lands gemie­tet und geplant, mit den Hun­den dort ab dem 20. Mai drei Wochen zu ver­brin­gen. »Wenn Fate erst in der drit­ten Läu­fig­keits­wo­che steht, ist das zu spät«, sag­te ich damals, und sah Dirk schon mit den Hun­den allei­ne fah­ren, »dann muss ich hier blei­ben und dar­auf hof­fen, dass es zei­tig klappt!« Wider Erwar­ten lie­fer­te dann aber schon der ers­te Pro­ges­te­ron­test am zehn­ten Tag der Läu­fig­keit das gewünsch­te Ergeb­nis – und zwei Tage, bevor wir nach Schott­land auf­bre­chen woll­ten, wur­de Fate von Elvis gedeckt. Der Ultra­schall, der gleich nach unse­rer Rück­kehr erfolg­te, fiel aber den­noch ernüch­ternd aus: Fate hat­te nicht auf­ge­nom­men. Weil bereits abzu­se­hen war, dass ihre nächs­te Hit­ze mit der von Hei­di zusam­men fal­len wür­de, und wir nur ungern zwei Wür­fe gleich­zei­tig auf­zie­hen moch­ten, ent­schie­den wir zu war­ten: »Dann hat sie ihren ers­ten Wurf eben erst im kom­men­den Jahr!«

Wie­der war es Anfang Mai. Für unse­re Pla­nung jedoch zwei Wochen zu früh. Nicht nur Fate, son­dern auch Elvis war zur Bun­des­sie­ger­aus­stel­lung in Dort­mund gemel­det wor­den. Bei­den fehl­te nur noch eine Anwart­schaft, um den VDH-Cham­pi­on zu kom­plet­tie­ren. Wäh­rend Dirk noch dar­auf hoff­te, dass die Steh­ta­ge der Hün­din nach dem Aus­stel­lungs­wo­chen­en­de fal­len wür­den, hat­te ich ande­res im Gefühl: »Stellt euch schon ein­mal dar­auf ein, dass das Wochen­en­de anst­re­gend wird!« Ich soll­te Recht behalten.

Nach­dem Elvis sich am Frei­tag die letz­te Anwart­schaft erlau­fen hat­te, wur­de Fate am spä­ten Nach­mit­tag zum ers­ten Mal gedeckt. Dirk brach­te ihn aus Dort­mund mit – und als ich schließ­lich auch von einer Wurf­ab­nah­me im Eder­berg­land zurück­ge­kehrt war, die ich schon Wochen zuvor ver­ein­bart hat­te, stan­den wir mit den bei­den Hun­den im ein­set­zen­den Regen. »Bit­ters­weet memo­ries, that’s all I’m taking with me«, summ­te ich vor mich hin, »hof­fen wir, dass es sich dies­mal gelohnt hat!«

Die fünf­te Träch­tig­keits­wo­che liegt hin­ter uns. Fate geht es gut. Sehr gut, sogar. Aber sie hat schließ­lich nicht nur einen Bodyguard.

© Johannes Willwacher